Publikation: Frakturen als Ursache von Misserfolgen in der Implantologie

Biomechanisch oder traumatisch bedingte Frakturen von Implantaten, Abutments und Suprastrukturen sind sehr selten die Ursache von Misserfolgen in der Implantologie.


Abb. 1. 01.1999, Röntgendarstellung der nicht erhaltungswürdigen OK-Zähnen

Abb. 2. 06.2000, Röntgenbefund nach Insertion von 8 Implantaten im OK

Abb. 3a. 12.2000, Nach Einheilzeit zementierte OK-Brücke

Abb. 3b. 12.2000, Nach Einheilzeit zementierte OK-Brücke

Abb. 4a. 12.2006, Posttraumatische Röntgenkontrolle

Abb. 4b. 12.2006, Posttraumatische Röntgenkontrolle

Abb. 4c. 12.2006, Posttraumatische Röntgenkontrolle12

Abb. 5a. 01.2007, Z.n. prothetischer Neuversorgung

Abb. 5b. 01.2007, Z.n. prothetischer Neuversorgung

Abb. 6. 06.2007, Röntgenkontrolle 6 Mo. post Trauma

Eine häufigere Ursache von Frakturen sind technische Komplikationen sowie Fehlbelastungen durch parafunktionelle Habits, okklusale Fehlkontakte und Extensionen des Zahnersatzes. Unphysiologische Belastungen führen über periimplantären Knochenabbau zu verstärktem Biegungsstress und dadurch zu einem erhöhten Frakturrisiko der Zahnimplantate. Besonders hoch ist das Überlastungsrisiko der Implantate im Bereich der Prämolaren und ersten Molaren. Die erhöhte Frakturneigung im Bereich des Implantat-Abutment-Interface scheint durch interne Konusverbindungen minimiert werden zu können. Wesentliche Kriterien der mechanischen Belastbarkeit von Implantatversorgungen sind neben dem Knochen-Implantat-Interface die Knochenqualität und -quantität sowie die Implantat-Abutment-Verbindung und die Qualität der Suprastruktur.

Schlüsselwörter: Frakturen von Zahnimplantaten, Abutments und Suprakonstruktionen, Knochen-Implantat-Interface, Implantat-Abutment-Verbindung, interne Konusverbindung, biomechanisch und traumatisch bedingte Fehlbelastungen, parafunktionelle Habits, technische Komplikationen, okklusale Überlastung, periimplantärer Knochenabau, Biegungsstress, mandibuläre Deformation.

Einleitung

Langzeituntersuchungen bescheinigen Implantaten und implantatgestützten Suprakonstruktionen hohe Erfolgsraten. Entsprechend diesen Studien liegt die Erfolgsrate nach 5 bis 10 Jahren bei ca. 95–99% (Adell et al. 1990, Schwartz-Arad und Chaushu 1997, Naert et al. 2001, Levin et al. 2006, Cochran et al. 2007).

Eine relativ seltene Ursache für Misserfolge in der Implantologie sind mandibuläre Frakturen (Mason et al. 1990) sowie Frakturen der Implantate, der Abutments und der Suprastrukturen verursacht durch biomechanische oder traumatische Kafteinwirkungen. Einigen Studien zufolge treten Implantatfrakturen bei 0,16 bis 1,5% der Fälle auf (Rangert et al. 1995, Balshi 1996, Albiol et al. 2008).

Herstellungsbedingte Mängel der Zahnimplantate und Aufbaukomponenten sollen bei Frakturen mit dem geringsten ursächlichen Risiko verbunden sein (Balshi 1996, Piattelli et al. 1998).

Weit häufiger sind technische Komplikationen und durch Ungenauigkeiten bei der prothetischen Versorgung bedingte Misserfolge. So können durch ein „non-passive fit“ entstehende Spannungen zwischen Implantaten und Suprastrukturen die Stabilität der Implantate beeinträchtigen und sogar zu Implantatfrakturen führen (Piattelli et al. 1996, Garg et al. 1997, Luterbacher et al. 2000, Karl et al. 2004).

Biomechanisch bedingte Überlastungsfrakturen von Implantaten werden oft mit exzessiven okklusalen Kontakten – insbesondere bei Laterotrusionsbewegungen – in Verbindung gebracht. Diese unphysiologischen Kaubelastungen können periimplantär zu einer korono-apikalen Knochenresorption führen (Balshi 1989, Isidor 1996). Durch den Verlust dieses für die Implantatstabilität wichtigen Knochens steigt mit dem dadurch zunehmenden Biegungsstress zwangsläufig auch das Frakturrisiko der betroffenen Implantate (Rangert et al. 1995).

Parafunktionen, v.a. extremer Bruxismus, sind sehr häufig die Ursache von Implantatverlusten und von Implantatfrakturen. Insbesondere im Seitenzahnbereich steigt das Risiko für technische Komplikationen und Überlastungsfrakturen wenn die Kombination von ausgeprägten parafunktionellen Habits, okklusalen Fehlkontakten und Brückenanhängern oder Extensionen vorliegt (Balshi 1989, 1996, Rangert et al. 1995, Piattelli et al. 1998, Brägger et al. 2001).

Implantate, welche im teilbezahnten Kiefer festsitzende Brücken mit Extensionen stützen und Implantate mit festsitzend-herausnehmbaren Suprakonstruktionen haben ein höheres Frakturrisiko als Implantate, die im zahnlosen Kiefer mit segmentierten Brücken ohne Anhänger oder mit einteiligen Extensionsbrücken im zahnlosen Kiefer verbunden sind (Adell et al. 1990, Rangert et al. 1995, Luterbacher et al. 2000). Hierbei ist die Misserfolgsrate bedingt durch Implantatverluste und Implantatfrakturen bei gleichzeitig zahn- und implantatgetragenen Versorgungen höher als bei rein implantatgestützten Brücken (Naert et al. 2001). Das Überlastungs- und Frakturrisiko der Implantate soll im Bereich der Prämolaren und ersten Molaren sowie vor allem im Unterkiefer am höchsten sein (Rangert et al. 1995, Levine et al. 1999, Albiol et al. 2008).


Die Verwendung von 6 Implantaten für festsitzende Brückenkonstruktionen ermöglicht im Unterkiefer eine bessere Aufteilung der Kaukräfte. Gleichzeitig soll dieses Vorgehen – bedingt durch die mandibuläre Deformation – mit erhöhten und hauptsächlich durch Torsionsbewegungen verursachten Spannungen zwischen Mandibula und Suprastruktur verbunden sein (Hobkirk et al. 1998, Abdel-Latif 2000). Laut El-Sheikh (2007) sollte das Phänomen der mandibulären Deformation bei der Implantatprothetik und beim Monitoring beachtet werden. Bei dieser Studie wurden mediale Konvergenzwerte von 15 bis 42 Microm bei Mundöffnung, 10 bis 21 Microm bei lateralen Exkursionen und 18 bis 53 Microm bei Protrusion gemessen. Das Knochen-Implantat-Interface würde folglich im Unterkiefer insbesondere bei Eingliederung von rigiden einteiligen Suprastrukturen durch erhöhte Spannungen belastet werden.

Zu traumatisch bedingten Verletzungen von Implantaten und implantatgestützten Suprastrukturen liegen nur sehr wenige Publikationen vor (Morgan et al. 1993, Naert et al. 2001, Stuebinger et al. 2004, Velásquez-Plata et al. 2004, Allen et al. 2006, Kao et al. 2007). Sehr umfangreich ist dagegen die Datenlage in der dentalen Traumatologie. Naheliegend ist deshalb die Frage, inwieweit durch die Analyse der Ätiopathogenese von dentalen Traumata Rückschlüsse für Implantatverletzungen gewonnen werden können.

Früheren Studien von Grundy (1959) und Schützmannsky (1963) zufolge ist gewöhnlich jeweils nur ein einzelner Zahn von einer dentalen Verletzung betroffen. Klinischen Studien von Andreasen (1970, 1972) entsprechend werden bei einem dentalen Trauma pro Individuum durchschnittlich 2,3 Zähne verletzt. Übereinstimmend mit bisherigen Berichten über traumatisch bedingte Implantatverletzungen ist laut diesen Studien die Oberkiefer-Frontzahnregion am häufigsten von traumatischen Einwirkungen betroffen. Hierbei sollen im Milchgebiss Zahnluxationen und Zahnintrusionen dominieren, während bei der permanenten Dentition Zahnfrakturen am häufigsten auftreten sollen. Andreasen stellte weiterhin fest, dass Kronen- und Wurzelfrakturen sowie dentogene (Sub)Luxationen und Alveolarfortsatzfrakturen häufig von Lippenverletzungen begleitet werden (Andreasen 1970, 1972). Andreasen folgerte aus seinen Studien, dass nicht nur die Energie der traumatischen Krafteinwirkung, sondern auch die Art der Kraftübertragung die Qualität der Verletzung bestimmt: Je höher die traumatische Energie, umso niedriger soll das Zahnfrakturrisiko und desto höher das Risiko für Knochenverletzungen sein. Je direkter und härter die traumatische Kraft übertragen wird, umso größer soll das Risiko für Zahnfrakturen sein. Je stärker diese Kraft abgefedert oder absorbiert wird (z.B. durch Lippen oder weichere impaktierende Objekte), desto höher sei dagegen die Frequenz der Verletzungen von periodontalen Strukturen mit Luxationen und Alveolarfortsatzfrakturen (Andreasen 1970, 1972, 1994).

Neben diesen akuten Folgen treten nach traumatisch bedingten Zahnverletzungen regelmäßig Spätkomplikationen wie Infektionen, Sensibilitätsverluste und Wurzelresorptionen auf (Oikarinen et al. 1987).

Während in der dentalen Traumatologie sowohl die oben genannten physiologischen und biomechanischen als auch die regenerativen und therapeutischen Aspekte (Yamamura et al. 1980, Andreasen 1994) gut erforscht sind, besteht diesbezüglich in der implantologischen Traumatologie noch ein großer Nachholbedarf.
Nachfolgend werden die Kasuistiken von zwei Patienten beschrieben, welche nach Abschluss der Implantatversorgung eine traumatisch bedingte Fraktur und eine Überlastungsfraktur erlitten.

Kasuistik Nr. 1

Im April 2000 wurde ein 64-jähriger männlicher Patient von seinem Zahnarzt zur Durchführung einer chirurgischen Gebisssanierung überwiesen. Im Oberkiefer waren die Restzähne 17, 16, 15, 13, 12, 11, 22, 23, 26, 27 extraktionswürdig (Abb. 1). Die Planungsanalyse zeigte eine schwierige Ausgangssituation mit erheblicher entzündungsbedingter lokaler Alveolarfortsatzresorption. Zusätzlich bestand eine ungünstige interalveoläre Relation bei relativer Mikrognathie.

Nach ausführlicher Aufklärung über die Behandlungsalternativen entschied sich der Patient für eine festsitzende implantatgestützte Brückenversorgung im Oberkiefer. Einleitend wurden im Oberkiefer alle Zähne entfernt und durch eine Immediatprothese ersetzt.

12 Wochen später wurden vom Autor 8 Implantate (Frialit-2, Stufenschrauben-Implantate) regio 15, 14, 13, 12, 21, 22, 23, 25 prothetisch orientiert inseriert (Abb. 2). Einzeitig erfolgte periimplantär eine vertikale und horizontale Augmentation mit autologem Knochen. Die oben genannte Totalprothese wurde als Provisorium angepasst. Nach einer Einheilzeit von 20 Wochen erfolgte die Freilegung der Implantate. Nach weiteren 6 Wochen wurde vom Zahnarzt des Patienten eine einteilige VMK-Brücke zementiert (Abb. 3a, 3b).

6 Jahre später, November 2006, stürzte der Patient sehr unglücklich auf das Gesicht. Neben einer Verletzung der Oberlippe trat bei diesem Unfall auch eine Fraktur der Keramikverblendung der Brücke regio 12, 11, 21 auf. Eine Lockerung der Brücke war nicht feststellbar. Die Implantate, die Abutments und das Metallgerüst der Brücke blieben ebenso wie das periimplantäre Hart- und Weichgewebe unverletzt (Abb. 4a, b, c), so dass der Zahnarzt des Patienten die prothetische Neuversorgung sofort durchführen konnte (Abb. 5a, b). Bei der klinischen und röntgenologischen Nachsorge wurden 6 Monate (Abb. 6) und 15 Monate (Abb. 7a, b, c, d) nach dem Unfall unverändert stabile und reizlose Verhältnisse festgestellt. Im März 2008 wurde als vorläufig letzter Behandlungsschritt regio 32–42 eine implantatgestütze VMK-Brücke eingegliedert (Abb. 8).

Kasuistik Nr. 2

Januar 2004 wurde eine 26-jährige Patientin mit apikaler Ostitis und erhöhtem Lockerungsgrad regio 11 überwiesen (Abb. 9a, b). Die Patientin entschied sich nach ausführlicher Aufklärung für eine Implantatversorgung. Aufgrund des hohen lokalen Entzündungsgrades erfolgte nach der schonenden Extraktion (Abb. 10a, b) von 11 keine Sofortimplantation, sondern die Eingliederung eines herausnehmbaren Pontic-Provisoriums (Abb. 11). Nach einem Intervall von 6 Wochen führte der Autor regio 11 eine einzeitige Implantation (Straumann, Esthetic Plus Implantat) und Augmentation (vertikal und horizontal) mit einer Mischung aus autologem partikulärem Knochen und Knochenersatzmaterial durch (Abb. 12a, b). Nach offener Einheilung von fast 5 Monaten wurde vom Zahnarzt der Patientin regio 11 eine VMK-Krone zementiert (Abb. 13). 20 Monate später stellte sich die Patientin mit einer Keramikfraktur regio 11 vor (Abb. 14a, b). Die Patientin hatte im Frontzahnbereich versehentlich mit voller Kraft auf ein Metallstück gebissen. Die klinische und röntgenologische Kontrolluntersuchung zeigte bei leichter Blutung der marginalen Gingiva einen stabilen implantären (Periotestwert: –2) und periimplantären Zustand, so dass vom o.g. Zahnarzt die sofortige prothetische Neuversorgung vorgenommen werden konnte (Abb. 15a, b). Die folgenden Kontrollen, 6 Monate (Abb. 16a, b) und 24 Monate (Abb. 17a, b) post Trauma, zeigten klinisch und röntgenologisch unverändert stabile Verhältnisse.

Diskussion

In den meisten Veröffentlichungen über frakturbedingte Misserfolge von Zahnimplantatversorgungen werden technische Komplikationen bedingt durch Implantatdesign-Mängel, Materialfehler bzw. Materialermüdung und „non-passive fit“ sowie biomechanische Fehlbelastungen als Ursache angegeben (Morgan et al. 1993, Green et al. 2002, Velásquez-Plata et al. 2002).

Zu traumatisch hervorgerufenen Frakturen oder Beschädigungen von Implantaten, Abutments und implantatgestützten Suprastrukturen liegen bisher nur sehr wenige Publikationen vor. Laut Cochran (1996) wird der Nachweis einer direkten Beziehung zwischen Überlastung und Implantat-Misserfolg durch folgende Umstände erschwert: Es ist fast unmöglich Kraft und Richtung von Belastungsvektoren in Relation zur biomechanischen Kapazität der Knochenqualität klinisch zu verifizieren und gleichzeitig geeignete Kontrollgruppen zu finden. Dementsprechend ist es nicht möglich, allgemeingültige Thesen hinsichtlich der Reaktionsweise der Implantate, des Implantat-Abutment-Interface und des Implantat-Knochen-Verbundes auf verschiedene Belastungsarten zu definieren.

Neue Erkenntnisse könnten zukünftig mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (Baiamonte et al. 1996) und mit biometrischen Analysen (Teoh et al. 2006) gewonnen werden.

Durch die Beachtung von bekannten biomechanischen Prinzipien und von chirurgischen und prothetischen Richtlinien (okklusale Belastungsfaktoren, prothetische Designkriterien, Implantatpositionierung, Implantatgeometrie, etc.) dürfte es möglich sein, das Frakturrisiko in der Implantologie erheblich zu senken.

So sollen z.B. längere Implantate mit großem Durchmesser eine höhere mechanische Stärke haben als kurze Implantate mit geringem Durchmesser (Rangert et al. 1995, 1997, Levine et al. 1999, Stuebinger et al. 2004, Albiol et al. 2008).

Die klinische Relevanz verschiedener Implantatsysteme, unterschiedlicher Implantat- und Abutmentgeometrien und Suprakonstruktionen sowie die Bedeutung der Knochenqualität und des Knochenvolumens kann derzeit bei komplexen Belastungssituationen nur abgeschätzt werden.

Seit 1996 (Consensus report. Proceedings of the 1996 world workshop in periodontics) besteht trotz fehlendem direktem Nachweis Konsensus darüber, dass unphysiologische Krafteinwirkungen auf Implantate mit periimplantärem marginalem Knochenabbau verbunden sein können (Balshi 1989, Rangert et al. 1995). Nach Tonetti und Schmid (2000) könnte dieser Knochenverlust vor allem bei zyklischer Kraftapplikation durch Ermüdungsmikrofrakturen bedingt sein.
Metabolische Knochenerkrankungen wie z.B. Osteoporose beeinflussen die Osseointegration und das Implantat-Knochen-Interface (Esposito et al. 1998). Unbekannt ist die ätiopathogenetische Rolle dieser Erkrankungen bei unphysiologischen Implantatbelastungen.

Hinsichtlich der Implantatgeometrie stellten Piatelli et al. (1998) eine erhöhte Frakturneigung für Hohlimplantate fest.
Besonders niedrig scheint die Frakturresistenz grundsätzlich im Bereich des Implantat-Abutment-Interface und hier insbesondere bei Stoßverbindungen zu sein. Die interne Konusverbindung könnte sich in diesem Zusammenhang langfristig als eine stabile Verbindungsvariante erweisen. Die Qualität dieses Verbindungstypes dürfte vor allem bei unverblockten Kronen bedeutend sein (Norton 2000, Strub und Gerds 2003, Zipprich et al. 2007). Signifikante biometrische Belastungsunterschiede zwischen geringen (bis 20 Grad) und größeren (bis 45 Grad) Abutmentangulationen korrelieren zumindest unter physiologischen Belastungsbedingungen nicht mit einer erhöhten Misserfolgsrate (Erneklint et al. 2006). Fraglich ist in diesem Zusammenhang die Auswirkung von traumatischen Krafteinwirkungen.

Bezugnehmend auf die gegenwärtige Datenlage und den ersten Fallbericht könnte vermutet werden, dass bei Vorliegen von implantatgestützten festsitzenden Brücken für die verblockten Implantate und deren Aufbauten sowie für das Knochen-Implantat-Interface ein relativ geringes Risiko für traumatisch bedingte Misserfolge und Überlastungsfrakturen besteht. Einschränkend muss bei der ersten Kasuistik jedoch angemerkt werden, dass die traumatische Kraft entsprechend den Thesen von Andreasen (Andreasen 1970, Andreasen und Ravn 1972, Andreasen und Andreasen 1994) durch die Oberlippe abgefedert wurde. Deutlich höher dürfte das Verletzungsrisiko bei Einzelimplantat-Versorgungen sein. Dies wird im zweiten Fallbericht zumindest durch die zervikale Blutung des Weichgewebes angedeutet, welche durch die mobilisierte und frakturierte Krone verursacht wurde.

Insbesondere für Einzelimplantate im Oberkiefer-Frontzahnbereich könnte die achsengerechte, prothetisch orientierte Implantatverankerung im ästhetischen Fenster (Gómez-Román 2003) nicht nur aus ästhetischer und funktioneller Sicht, sondern auch im Hinblick auf die mechanische Belastbarkeit wesentlich sein (Erneklint et al. 2006).
In beiden vorgestellten Kasuistiken frakturierte bei unterschiedlichem Kraftvektor nur die Keramikverblendung der VMK-Suprastruktur, so dass Keramik-Verblendungen – zumindest bei sonst stabilen periimplantären Verhältnissen – als frakturanfälligste Strukturen bezeichnet werden könnten. Beste Voraussetzungen für eine hohe mechanische Belastbarkeit sind in der Implantologie insbesondere dann gegeben, wenn neben einer guten Knochenqualität und –quantität auch ein „passive fit“ der Suprastruktur vorliegt (Piattelli et al. 1996, Garg et al. 1997, Luterbacher et al. 2000, Karl et al. 2004).

In den beschriebenen Kasuistiken lag zu Behandlungsbeginn jeweils ein erhebliches Knochendefizit vor. Der einzeitig bei den Implantatinsertionen vorgenommene Knochenaufbau erwies sich in beiden Fällen und in allen Regionen auch über den Zeitpunkt der traumatischen Krafteinwirkung hinaus als sehr volumenstabil.

In beiden Fällen wurden bewährte Schraubenimplantate verwendet. Die Verankerung der Implantate erfolgte jeweils prothetisch orientiert. Im zweiten Fall wurde zudem das ästhetische Fenster bei der achsengerechten Implantatpositionierung (Gómez-Román 2003) exakt eingehalten.

Die Suprakonstruktion wurde in beiden Fällen zementiert. Diese Befestigungstechnik scheint bei implantatgestützten Brücken mit den geringsten Spannungswerten verbunden zu sein. Die Zementschicht soll bei implantatgestützten Restaurationen Inkongruenzen zwischen den Befestigungskomponenten ausgleichen können. Weiterhin könnte sich die Resilienz der Zementschicht bei unphysiologischen Belastungen kompensierend auswirken (Heckmann et al. 2004, Karl et al. 2005).

Das mit dem Biegungsstress verbundene Frakturrisiko der Implantate (Rangert et al. 1995) wäre in den beschriebenen Kasuistiken den ursächlichen Kriterien zufolge eher gering gewesen.

Schlussfolgerung

Aus dem Literaturreview und den beschriebenen Kasuistiken können zur Prävention von stressbedingten Misserfolgen theoretisch die folgenden Kriterien und Vorgehensweisen abgeleitet werden:
1. Knochendefekte sollten soweit rekonstruiert werden, dass längere Schraubenimplantate mit großem Durchmesser inseriert werden können.
2. Insbesondere bei Patienten mit parafunktionellen Habits sollte zur Stressreduktion eine möglichst große Anzahl von Implantaten verankert werden.
3. Das konische Implantat-Abutment-Interface scheint derzeit die höchste Frakturresistenz zu bieten.
4. Extensionen sollten vermieden oder weitgehend reduziert werden.
5. Im zahnlosen Unterkiefer könnte die Segmentierung des festsitzenden Zahnersatzes ungünstige deformationsbedingte Spannungen zwischen Knochen und Suprastruktur reduzieren.
6. Die Okklusionskontakte sollten nach der Eingliederung des Zahnersatzes optimiert und bei den fortlaufenden Nachsorgeterminen regelmäßig kontrolliert werden.
Die individuell unterschiedlichen komplexen Belastungsmechanismen mit Zug-, Druck- und Torsionskräften im Bereich des Knochen-Implantat- und Implantat-Abutment-Interface (Brunski 1992) erschweren die experimentelle Rekonstruktion von biomechanisch und traumatisch bedingten Frakturen. Weiterer Forschungsbedarf besteht zudem hinsichtlich der Verwendung von Zirkoniumwerkstoffen und bezüglich der Bedeutung der Knochenqualität bei physiologischen und unphysiologischen Belastungsmechanismen. Für das Verständnis der Auswirkungen von komplexen Implantat-Belastungsmechanismen könnten biometrische Studien, Finite-Elemente-Methoden und Fallberichte mit standardisierter Auswertung von kurz- und langfristig erkennbaren Überlastungsfolgen hilfreich sein.

Verfasser

Dr. Burghard Peter, Ärztezentrum MiraMed, Salzburg, Österreich

Literatur

Abdel-Latif HH, Hobkirk JA, Kelleway JP (2000) Functional mandibular deformation in edentulous subjects treated with dental implants. Int J Prosthodont 13: 513–519

Adell R, Eriksson B, Lekholm U, Brånemark PI, Jemt T (1990) A long-term follow-up study of osseointegrated implants in the treatment of totally edentulous jaws. Int J Oral Maxillofac Implants 5(4): 347–359

Albiol JG, Nieto MS, Capablo JLP, Garcés MAS, Urgell JP, Escoda CG (2008) Endosseous dental implant fractures an analysis of 21cases. Med Oral Pathol Oral Cir Buccal 13(2): 124–128

Allen EM, Allen PF (2006) Trauma to an osseointegrated anterior dental implant: A case report. Dent Traumatol 22(1): 44–47

Andreasen JO (1970) Etiology and pathogenesis of traumatic dental injuries. A clinical study of 1298 cases. Scand J Dent Res 78: 329–342

Andreasen JO, Ravn JJ (1972) Epidemiology of traumatic dental injuries to primary and permanent teeth in a Danish population sample. Int J Oral Surg 1(5): 235–239

Andreasen JO (1994) Response of oral tissue to trauma. In: Andreasen JO, Andreasen FM (eds) Textbook and color atlas of traumatic injuries to the teeth. Munksgaard, Copenhagen, pp 77–149

Andreasen JO, Andreasen FM (1994) Examination and diagnosis of dental injuries. In: Andreasen JO, Andreasen FM (eds) Textbook and color atlas of traumatic injuries to the teeth. Munksgaard, Copenhagen, pp 196–217

Baiamonte T, Abbate MF, Pizzarello F, Lozada J, James R (1996) The experimental verification of the efficacy of finite elemente modeling to dental implant systems. J Oral Implantol 22(2): 104–110

Balshi TJ (1989) Preventing and resolving complications with osseointegrated implants. Dent Clin North Am 33: 821–868

Balshi TJ (1996) Analysis and management of fractured implants: A clinical report. Int J Oral Maxillofac Implants 11(5): 660– 666

Brägger U, Aeschlimann S, Bürgin W, Hämmerle CH, Lang NP (2001) Biological and technical complications and failures with fixed partial dentures (FPD) on implants and teeth after four to five years of function. Clin Oral Implants Res 12(1): 26–34

Brunski JB (1992) Review paper. Biomechanical factors affecting the bone-dental implant interface. Clinical Materials 10: 153– 201

Cochran D (1996) Implant therapy I. Ann Periodontol 1(1): 707–791

Cochran D, Oates T, Morton D, Jones A, Buser D, Peters F (2007) Clinical field trial examining an implant with a sand-blasted, acid-etched surface. J Periodontol 78(6): 974–982

El-Sheikh AM, Abdel-Latif HH, Howell PG, Hobkirk JA (2007) Midline mandibular deformation during nonmasticatory functional movements in edentulous subjects with dental implants. Int J Oral Maxillofac Implants 22(2): 243–248

Erneklint C, Odman P, Ortengren U, Karlsson S (2006) An in vitro load evaluation of a conical implant system with 2 abutment designs and 3 different retaining-screw alloys. Int J Oral Maxillofac Implants 21(5): 733–737

Esposito M, Hirsch J-M, Lekholm U, Thomsen P (1998) Biological factors contributing to failures of osseointegrated oral implants (II). Etiopathogenesis. Eur J Oral Sci 106: 721– 764

Garg AK, Morales M, Navarro I (1997) Repair of a transmandibular implant: Clinical report. Implant Dent 6(1): 11–13

Georgiopoulps B, Kalioras K, Provatidis C, Manda M, Koidis P (2007) The effects of implant length and diameter prior to and after osseointegration: A 2-D finite element analysis. J Oral Implantol 33(5): 243–256

Gómez-Román G (2003) Flap methods and implant positioning. Surgical recommendations for the single tooth gap. Z Zahnärztl Impl 19(4): 222–226

Green NT, Machtei EE, Horwitz J, Peled M (2002) Fracture of dental Implants: Literature review and report of a case. Implant Dentistry 11: 137–141

Grundy JR (1959) The incidence of fractured incisors. Brit Dent J 106: 312–314

Heckmann SM, Karl M, Wichmann MG, Winter W, Graef F, Taylor TD (2004) Cement fixation and screw retention: Parameters of passive fit. An in vitro study of three-unit implant-supported fixed partial dentures. Clin Oral Impl Res 15: 466–473

Hobkirk JA, Havthoulas TK (1998) The influence of mandibular deformation, implant numbers, and loading position on detected forces in abutments supporting fixed implant superstructures. J Prosthet Dent 80: 169–174

Isidor F (1996) Loss of osseointegration caused by occlusal load of oral implants. A clinical and radiographic study in monkeys. Clin Oral Implants Res 7(2): 143–152

Kao S-Y, Fong J H-J, Chou S-J, Wu J-H, Tu H-F, Yeung T-C (2007) Segmental osteotomy to reposition multiple osseointegrated dental implants in the anteriormaxilla in a trauma patient. Dent Traumatol 23: 56–59

Karl M, Linke JJ, Winter W, Graef F, Wichmann MG, Heckmann SM (2005) In-vitro und in-vivo-Untersuchungen zur Spannungsentwicklung bei Implantatbrücken. Z Zahnärztl Impl 21(1): 14–20

Karl M, Winter W, Taylor TD, Heckmann SM (2004) In vitro study on passive fit in implant supported five-unit FPDs. Int J Oral Maxillofac Implants 19: 30–37

Levin L, Sadet P, Grossmann Y (2006) A retrospective evaluation of 1,387 single-tooth implants: A 6-year follow-up. J Periodontol 77(12): 2080–2083

Levine RA, Clem DS, Wilson TG, Higginbottom F, Solnit G (1999) Multicenter retrospective analysis of the ITI implant system used for single-tooth replacements: Results of loading for two or more years. Int J Oral Maxillofac Implants 14: 516–520

Luterbacher S, Fourmousis I, Lang NP, Brägger U (2000) Fractured prosthetic abutments in osseointegrated implants: A technical complication to cope with. Clin Oral Impl Res 11: 163– 170

Mason ME, Triplett RG, van Sickels JE, Parel SM (1990) Mandibular fractures through endosseous cylinder implants: report of cases and review. J Oral Maxillofac Surg 48: 311–317

Morgan MJ, James DF, Pilliar RM (1993) Fractures of the component of an osseointegrated implant. Int J Oral Maxillofac Implants 8: 409–414

Naert IE, Duyck JA, Hosny MM, van Steenberghe D (2001) Freestanding and tooth-implant connected prostheses in the treatment of partially edentulous patients. Part I: An up to 15-years clinical evaluation. Clin Oral Implants Res 12(3): 237–244

Norton MR (2000) In vitro evaluation of the strength of the conical implant-to-abutment joint in two commercially available implant systems. J Prosthet Dent 83(5): 567–571

Oikarinen K, Gundlach KK, Pfeifer G (1987) Late complications of luxation injuries to teeth. Endod Dent Traumatol 3(6): 296– 303

Piattelli A, Piattelli M, Scarano M, Vaia E, Matarasso S (1998) Light and scanning electron microscopic report of four fractured implants. Int J Oral Maxillofac Implants 13: 561–564

Piatelli A, Scarano A, Piatelli M, Vaia E, Matarasso S (1998) Hollow implants retrieved for fracture: A light and scanning electron microscope analysis of 4 cases. J Periodontol 69(2): 185–189

Piattelli A, Scarano A, Vaia E, Matarasso S (1996) Histological evaluation of the peri-implant bone around plasma-sprayed non-submerged titanium implants retrieved from man: A report of two cases. Biomaterials 17: 2219–2224

Proceedings of the 1996 World Workshop in Periodontics. Consensus report. Implant therapy II (1996). Ann Periodontol 1(1): 816–820

Quirynen M, Naert IE, van Steenberghe D (1992) Fixture design and overload influence marginal bone loss and fixture success in the Brånemark® system. Clin Oral Impl Res 3: 104– 111

Rangert BR, Krogh PHJ, Langer B, Van Roekel N (1995) Bending overload and implant fracture: A retrospective clinical analysis. Int J Oral Maxillofac Implants 10: 326–334

Rangert BR, Sullivan RM, Jemt TM (1997) Load factor control for implants in the posterior partially edentulous segment. Int J Oral Maxillofac Implants 12: 360–370

Schützmannsky G (1963) Unfallverletzungen an jugendlichen Zähnen. Dtsch Stomat 13: 919–927

Schwartz-Arad D, Chaushu G (1997) Placement of implants into fresh extraction sites: 4 to 7 years retrospective evaluation of 95 immediate implants. J Periodontol 68(11): 1110–1116

Strub JR, Gerds T (2003) Fracture strength and failure mode of five different single-tooth implant-abutment combinations. Int J Prosthodont 16(2): 167–171

Stuebinger S, Hodel Y, Filippi A (2004) Trauma to anterior implants. Dent Traumatol 20: 169–171

Teoh AB, Goh A, Nqo DC (2006) Random multispace quantization as an analytic mechanism for BioHashing of biometric and random identity inputs. IEEE Trans Pattern Anal Mach Intell 28(12): 1892–1901

Tonetti MS, Schmid J (2000) Pathogenesis of implant failures. Periodontol 4: 127–138

Velásquez-Plata D, Lutonsky J, Oshida Y, Jones R (2002) A close-up look at an implant fracture: A case report. Int J Periodontics Restorative Dent 22(5): 483–491

Yamamura T, Shimono M, Koike H, Terao M, Tanaka Y, Sakai Y, Inoue T, Yoshiki S, Tachikawa T, Kawahara H, Watanabe O (1980) Differentiation and induction of undifferentiated mesenchymal cells in tooth and periodontal tissue during wound healing and regeneration. Bull Tokyo Dent Coll 21(3): 181–221

Zipprich H, Weigl P, Lange B, Lauer H-C (2007) Erfassung, Ursachen und Folgen von Mikrobewegungen am Implantat-Abutment- Interface. Implantologie 2007: 15(1): 31–46